Kultur in einfacher Sprache

Publikum blickt auf eine Schauspielerin und Cello-Spieler neben Klavier in einer Bibliothek
Klimamonologe in einfacher Sprache. Aufführung in Helene-Nathan-Bibliothek (CC By SA F3_kollektiv)

Politischer Rap und ein Orchester oder eine teure Geige für alle ausleihbar in der Stadtteilbibliothek – klingt nach Gegensätzen. Bei dem Workshop „Politische Musik“ im Mai hörten, sahen und musizierten die Teilnehmenden jedoch, dass es keiner sein muss!

Seit der Gründung des F3_kollektivs haben wir uns auf verschiedenen Wegen der Grundbildung angenähert: über die Entwicklung von Bildungsmaterial, über empowernde Ausflüge, z.B. ins Radio, über Fortbildungen für Multiplikator*innen oder über: Kunst.

Mehr als zwei Jahre lang führten wir begleitend zu den meist machtkritischen Ausstellungen in der Galerie im Turm in Berlin-Friedrichshain Workshops in Einfacher Sprache durch. Gemeinsam mit einer Gruppe von fünf bis zehn sogenannten gering literalisierten Menschen, die teilweise zum ersten Mal überhaupt in einer Galerie waren, erkundeten wir Kunst. Schon beim Betreten der Galerie machten wir spannende Sinneserfahrungen: Erde knirschte unter unseren Füßen, ein tiefes Brummen lag in der Luft oder ein Video lief im Hintergrund. Alle nahm die Kunst auf eigene Weise wahr – gehend, liegend oder betrachtend. Danach gingen wir ins Gespräch: Was fällt euch auf? Was seht und hört ihr? Was fühlt ihr? Woran erinnert euch das? Es gab kein Richtig oder Falsch, jede Wahrnehmung war wertvoll.   So entstanden bewegende Gespräche über die Themen der Ausstellungen wie Diskriminierung im Gesundheitssystem, Solidarität oder Recht auf Stadt. Damit einher gingen immer auch der Austausch über Erfahrungen, die einzelne teilten und in denen sich andere wiederfanden.

Eine ähnliche Erfahrung machten wir mit der Aufführung der KLIMAMONOLOGE, einem dokumentarischen Theaterstück, das Geschichten von Menschen erzählt, die weltweit vom Klimawandel betroffen sind. Zum ersten Mal wurden diese Interviews in einfacher Sprache auf die Bühne gebracht und stimmten das Publikum nachdenklich. Die meisten Besucher*innen kamen aus Alphabetisierungs- und Grundbildungskursen. In einem Nachgespräch in Einfacher Sprache mit einem Gast und dem Publikum, gaben wir den Gefühlen den nötigen Raum und machten die Klimakatastrophe ausgehend des Theaterstücks besprechbar und Zusammenhänge sichtbar.

Unserer Erfahrung zeigt: Kultur kann ein niedrigschwelliger Türöffner sein, um machtkritische Themen und komplexe Zusammenhänge zugänglich zu machen. Sie lädt dazu ein, neue Perspektiven zu entdecken und Gedanken zu vertiefen. Sie fördert den Austausch und ermöglicht es, miteinander ins Gespräch zu kommen. Gerade für Menschen, die mit textbasierten Bildungsformaten wenig Erfahrung haben, kann Kunst ein wertvoller Zugang sein – nicht über Schriftsprache, sondern über Sinneserfahrungen, Gefühle und gemeinsame Erlebnisse.  So werden Inhalte einfach zugänglich und erfahrbar.

Für uns bleibt Kultur ein spannender und bereichernder Zugang zu machtkritischer politischer Grundbildung – und wir freuen uns darauf, weitere Orte und Werke in einfacher Sprache zugänglich zu machen.