Karten sind nie einfache Abbilder der Realität. Was wird gezeigt und was weggelassen? Wo ist oben und was liegt in der Mitte? Welche Art der Projektion wurde verwendet – also: Welche der bei der Abbildung der Erdkugel auf einer zweidimensionalen Karte immer auftretenden Verzerrungen sind in der Karte enthalten?
Wie man sich bezüglich dieser Fragen entscheidet, ist einerseits von den praktischen Nutzungsanforderungen bestimmt, andererseits sind dies immer politische sowie von historischen und kulturellen Einflüssen geprägte Entscheidungen. Gerade bei der Thematisierung globaler Zusammenhänge ist die Wahl der verwendeten Weltkarte daher wichtig und sollte ebenso bewusst wie transparent getroffen werden: Die verwendete Karte bestimmt mit darüber, welches Bild sich die Betrachter*innen von der Welt machen. Wenn der kugelförmige Planet Erde auf einer zweidimensionalen Fläche abgebildet werden soll, sind Verzerrungen unvermeidlich. Je nach Art und Weise der Projektion der Außenfläche der Erdkugel auf einer Karte entstehen andere Verzerrungen (siehe Abbildung).
Eine der bekanntesten Projektionen ist die Mercator-Projektion. Entwickelt wurde sie von Gerhardt Mercator in Duisburg, der 1569 erstmals eine Weltkarte in dieser Projektion veröffentlichte.
Diese Projektion ist winkeltreu. Das heißt, sie bildet alle Winkel richtig ab, was insbesondere für die Seefahrt dieser Zeit wichtig war. Auch heute noch wird sie aus diesem Grund in der See- und Luftfahrt verwendet. Ebenso bildet die Mercator-Projektion die Formen (etwa von Kontinenten und Ländern) recht gut ab. Jedoch führen Winkel- und Formtreue dazu, dass die Größenproportionen falsch sind. Auf Karten mit Mercator-Projektion werden daher die polnahen Gebiete und Länder unverhältnismäßig groß dargestellt. Europa (circa 10,2 Millionen Quadratkilometer Fläche) erscheint dadurch größer als Südamerika (circa 17,8 Millionen Quadratkilometer), der afrikanische Kontinent wirkt so groß wie Grönland, obwohl er 14 Mal größer ist, Skandinavien (circa 0,8 Millionen Quadratkilometer) größer als Indien (circa 3,3 Millionen Quadratkilometer) und die USA doppelt so groß wie China, das real etwa die gleiche Fläche besitzt. Hinzu kommt, dass wegen der starken Größenverzerrung an den Polen die Antarktis bei Mercator-Weltkarten meist abgeschnitten wird. Dies führt dazu, dass die Nordhalbkugel etwa 60 Prozent der Karte einnimmt und damit größer und zentraler wirkt als die Südhalbkugel. Dennoch wurde und wird die Mercator-Projektion oft auf Weltkarten verwendet, auch wenn diese keiner Winkeltreue bedürfen. Dies hat seine Gründe vor allem in der (post-)kolonialen Dominanz der Länder Europas und Nordamerikas, die durch die Mercator-Projektion größer und zentraler erscheinen als die Länder des Globalen Südens.
Aus Kritik an den Verzerrungen der Mercator-Weltkarte und ihren ideologischen Grundlagen und Folgen, veröffentlichte der deutsche Kartograph und Historiker Arno Peters 1972 eine Weltkarte mit nahezu flächentreuer Projektion – in der also die Größenverhältnisse stimmen. Auch wenn es bereits vorher viele verschiedene flächentreue Kartenprojektionen gab (etwa die Mollweide-Projektion), erhielt die Peters-Projektion durch die antikolonialen Befreiungskämpfe und Unabhängigkeiten der 1950er bis 70er und die von Peters öffentlichkeitswirksam vorgetragene Kontroverse eine große Bekanntheit als Kritik und Gegenpol zur Mercator-Projektion. Die fast vollständige Flächentreue der Peters-Projektion macht die tatsächlichen Größenverhältnisse auf der Welt erkennbar: Zum Beispiel ist der afrikanische Kontinent fast drei Mal so groß wie Europa. Dafür werden Winkel und Formen nicht richtig angezeigt. Die Lage der Kontinente zueinander ist nicht wirklichkeitsgetreu, ebenso kommt es zu starken Verzerrungen der Formen – vor allem in der Nähe der Pole und des Äquators. Das liegt auch daran, dass anders als bei anderen flächentreuen Projektionen die gewohnte rechteckige Form der Weltkarte beibehalten wird, die auch die Mercator-Projektion benutzt.
Die heute am häufigsten genutzten Weltkarten sind Kompromiss-Projektionen zwischen Flächen- und Winkeltreue. So hat die Winkel-Tripel-Projektion mittlerweile die Mercator-Projektion als meistgenutzte Darstellungsweise abgelöst. Dennoch prägte und prägt diese weiterhin die Vorstellungen vieler Menschen von der Welt. Weitere wichtige Setzungen, die von europäischen Gelehrten in der Zeit des Kolonialismus festgelegt wurden und bis heute die gängigen Weltkarten dominieren, sind die Festlegung der Nordausrichtung sowie dass Europa als Orientierungspunkt für das Kartenzentrum dient. Beide Festlegungen bewirken, dass Europa auf den dominanten Welt-Abbildungen zentral, groß und hervorgehoben erscheint. Karten, die etwa China ins Zentrum setzen oder eine Südausrichtung haben, lassen Europa dagegen als kleinen, unauffälligen Zipfel an der eurasischen Landmasse erscheinen.
Wir haben uns aus machtkritischen und didaktischen Gründen entschieden, in der Übung auch eine Weltkarte in Peters-Projektion zu nutzen, die sich sowohl in Süd- wie in Nordausrichtung verwenden lässt. Hiermit sollen die Teilnehmer*innen dazu angeregt werden, die in Deutschland weiterhin vorherrschenden eurozentristischen Weltbilder ebenso wie andere unhinterfragte Ansichten in Frage zu stellen. Die standardisierte Website-Karte von OpenStreetMap nutzt jedoch die Mercator-Projektion (siehe: https://osmdata.openstreetmap.de/info/projections.html).